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DSC Arminia Bielefeld
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„Lust und Spaß müssen im Vordergrund stehen“

Er ist Handballer durch und durch, fühlt sich dem Fußball und Arminia aber auch verbunden. Die Rede ist von Florian Kehrmann (44), dem Trainer von unseren Freunden des Handball-Bundesligisten TBV Lemgo Lippe, mit dem wir ein kleines Gespräch führen konnten. In diesem verriet uns der sympathische Ex-Nationalspieler und Weltmeister Deutschlands, warum er an einen Klassenerhalt des DSC glaubt, welche Ratschläge er für die letzten beiden Spiele hat und an welchem großen Ziel er mit seiner Mannschaft noch arbeitet.

Florian, du bist seit 1999 in Lemgo. Eine extrem lange Zeit also, oder?
Ich werde im Sommer 44, bin also seit fast 22 Jahren hier und damit eigentlich den größten Teil meines Lebens. Ich fühle mich hier sehr wohl und der Region verbunden. Als Spieler habe ich mich sehr wohlgefühlt und das tue ich als Trainer auch weiterhin.

Wie hast du die Region in diesen mehr als 20 Jahren kennengelernt?
Als junger Spieler ist es ja so, dass man hier und da noch etwas andere Prioritäten hat. Als ich nach Lemgo gekommen bin, habe ich meine Ausbildung bei der Sparkasse gemacht, hatte natürlich trotzdem auch den Sport im Fokus. Gleichzeitig hat man auch andere Dinge im Kopf – es war jetzt nicht unbedingt so, dass ich täglich die Natur oder so erkundet habe. Mittlerweile bin ich in einem etwas gereifteren Alter, in dem ich mir auch gerne mal eine Auszeit nehme. Ich habe OWL in all dieser Zeit aber sehr schätzen gelernt. Wir haben hier eine tolle Landschaft, schöne Orte und Ausflugsziele – ich bin in meiner freien Zeit sehr viel mit dem Fahrrad und auch als Wanderer unterwegs. So lerne ich auch heute noch neue Dinge kennen, die ich vielleicht damals – als 22-Jähriger – noch nicht so schätzen konnte.

Wie hast du die Menschen hier kennengelernt?
Ich tue mich immer etwas schwer damit, Regionen und Menschen nach einem bestimmten Muster zu charakterisieren. Das wird dem oftmals nicht gerecht. Die Leute hier sind im ersten Moment etwas distanzierter – ich kann das gut einschätzen, da ich gebürtig aus der Region Niederrhein komme, wo die Leute ja schon etwas anders ticken. Sobald die Leute hier in OWL dich aber ins Herz geschlossen haben, sind sie sehr warm und herzlich. Genau diese Erfahrung mache ich hier auch beim TBV – es ist sehr familiär und wir haben eine enge Beziehung zu unseren Fans. Das ist ein schönes Gefühl.

Gemeinsam.Stark. ist das Motto des TBV, den du nun schon in deiner siebten Saison betreust. Was zeichnet den TBV Lemgo Lippe als Verein aus – immerhin spielt ihr in der stärksten Liga der Welt. Mit einigen der größten Vereine.
Erstmal muss man die Entwicklung der Handball-Bundesliga ein wenig berücksichtigen. Sie geht dahin, dass immer mehr die größeren Städte und Metropolregionen in der Liga vertreten sind. So wird es für uns auch immer schwieriger. Wir leben, ähnlich wie auch GWD Minden, extrem von der Tradition und davon, dass wir ein sehr gutes Jugendkonzept haben und immer wieder junge Spieler hochziehen. Ohne die funktionierende Wirtschaft in OWL wäre der Spitzensport aber nicht möglich. Wir haben mit dem DSC einen Fußball-Bundesligisten, mit dem SC Paderborn einen Zweitligisten und eben uns als Handballvereine in der Bundesliga – das ist für die Region schon enorm und schön. Der Spitzensport lebt von einer funktionierenden Wirtschaft, wobei die Tradition eine sehr wichtige Rolle spielt – davon lebt Arminia ja auch.

Du hast die Tradition schon als Parallele angesprochen – fallen dir weitere Merkmale ein, die unsere Vereine verbinden?
Die Vereinsfarben, gemeinsame Partner und Unterstützer und vor allen Dingen Menschen, die beiden Vereinen wohlgesonnen gegenüber sind. Wir haben hier in Lemgo Dauerkartenbesitzer, die auch bei Arminia ihre Dauerkarten besitzen. Die Region OWL hält wirklich zusammen – es gibt ja leider auch immer wieder vereinzelt Leute, die sagen, dass der Fußball und Handball miteinander konkurrieren. Ich finde vielmehr, dass man das große Ganze sehen muss und versuchen sollte, die Möglichkeiten auszuloten, miteinander zu interagieren.

Damit meinst du wahrscheinlich auch das Sportliche, oder?
Absolut. Wir haben ja schon Berührungspunkte – Marco Kostmann war schon häufiger bei uns, um sich Input zu holen und wir wollten auch schon länger bei euch vorbeischauen, um übergreifende Einheiten in Angriff zu nehmen – leider kam dann vor einiger Zeit die Pandemie. Sobald es die Maßnahmen und die Sicherheit zulassen, würden wir uns freuen, gewisse Sachen auszuprobieren – dass z.B. die Torwarte beider Sportarten mal eine komplette Einheit zusammen trainieren. Da treten bestimmt super Synergieeffekte auf. Das Interesse ist von beiden Seiten aus da und ich als Trainer bin ein Freund davon, sich immer wieder neuen Input zu holen. Nur so entwickelt man sich letztlich auch weiter.

Auch wenn du Handballer durch und durch bist und durch deinen Geburtsort Neuss der Fortuna aus Düsseldorf nahestehst – hast du Sympathien für den DSC?
Natürlich. Ich würde mich sehr freuen, wenn Arminia es schafft. Generell pflege ich eine gute Beziehung zum DSC – nach spektakulären oder schönen Punktgewinnen nehme ich auch mal mein Handy in die Hand und schreibe Marco Kostmann, dass ich mich freue und zur Leistung gratuliere. Ich kriege auf der anderen Seite auch Nachrichten, was zeigt, dass da eine Verbindung besteht. Klar bin ich seit klein auf Fortuna-Sympathisant, aber ansonsten drücke ich den Vereinen aus OWL immer die Daumen, da das ja auch für die Menschen und die Region extrem wichtig ist. Im Laufe der Jahre hatte ich auch immer wieder guten Kontakt zu Spielern, wobei ich mittlerweile wahrscheinlich zu alt für sie wäre (lacht).

Punkt in Berlin und jetzt noch zwei Spiele vor der Brust. Wie bewertest du unsere aktuelle Situation?
Arminia hat eine sehr gute Ausgangsposition. Mit einem Sieg am kommenden Spieltag sieht es doch richtig gut aus – es bleibt spannend bis zum Schluss. Der Punkt in Berlin war Gold wert, weil er auch ein Zeichen war, dass die Mannschaft die Nerven behalten kann. Wir werden uns am Samstag das Spiel gegen Hoffenheim auf jeden Fall angucken und drücken alle Daumen.

Wärst du ein Fußballer und hättest rein zufällig noch einen Spielerpass bei uns – auf welcher Position könnte Frank Kramer dich einsetzen?
Als Balljunge, weil ich schnell antizipieren und ganz gut einwerfen kann – falls ich auf dem Platz stehen sollte, würde ich auf der „6“ spielen. Ich spiele tatsächlich regelmäßig mit Freunden und bin da immer als 6er im Einsatz. Mit meiner Athletik und der körperlichen Konstitution könnte ich sonst vielleicht noch im Sturm für Entlastung sorgen, um ein, zwei Verteidiger bei einer Ecke zu binden oder zur Not eben unbeobachtet umzureißen. Ich glaube aber, dass ihr mich nicht brauchen werdet, da ihr das auch so schafft!

Unsere Jungs liefern überragende Defensivarbeit – zehn weiße Westen sind der Beleg dafür. Jetzt muss nur mal vorne noch der Ball reingehen. Du hast in deiner Karriere 1.846 Tore erzielt. Welchen Tipp hast du eventuell noch parat?
Ich fand die Aussage von Thomas Tuchel neulich absolut treffend. (Anm. d. Redaktion: Thomas Tuchel, Trainer des FC Chelsea, hinderte Timo Werner nach dem Training daran, an seinem Torabschluss zu üben – mit folgender Aussage: "Ich habe ihm gesagt: Das brauchst du nicht. Dein Körper und dein Hirn wissen, wie man Tore schießt. Du machst das, seit du sechs Jahre alt bist. Keine Sorge, das wird schon"). Ich denke, dass es wirklich eine Kopfsache ist. Ich habe als Spieler immer versucht daran zu denken, dass der Handball mir unfassbar viel Spaß macht und zwar genauso, wie er mir schon als Kind und Jugendlicher Spaß bereitet hat. Genau das versuche ich meinen Jungs zu vermitteln. Es soll kein Druck sein, einen Treffer zu erzielen oder zu verhindern, sondern die Lust und der Spaß müssen im Vordergrund stehen – ich bin mir sehr, sehr sicher, dass Arminia die Klasse hält, wenn hinten weiter die Null steht. Dafür ist die Qualität in der Offensive zu gut.  

Euer großes Finale steht am 03. Juni mit dem Pokal-Halbfinale gegen den THW Kiel an. Was macht dir Hoffnung und Mut, dass wir Anfang Juni gemeinsam – natürlich unter Einhaltung aller Corona-Regeln – auf unsere Erfolge anstoßen können?
Erstmal ist es so, dass der Mai uns jetzt ordentlich fordert, weil wir in der aktuellen Phase nahezu jeden dritten Tag ein Pflichtspiel in der Liga haben. Die Jungs brauchen aber keine extra Portion Motivation, weil sie extrem auf diesen Tag hin fiebern. Es geht darum, ihnen den Druck vor etwas Neuem und dem doch schon sehr speziellen Spiel zu nehmen. Da sehe ich aber auch eher den Spaß an der Aufgabe. Wir fahren da entspannt hin, aber mit der nötigen Anspannung. Wir haben eineinhalb Wochen vor dem Aufeinandertreffen im Pokal ein Ligaspiel gegen Kiel, aus dem wir sicherlich interessante Schlüsse ziehen können. Die Favoritenrolle werden und brauchen wir nicht annehmen, aber wir werden uns nicht kampflos geschlagen geben.  

Unsere Daumen sind auf jeden Fall fest gedrückt – auf dass wir dann Anfang Juni gemeinsam feiern können.
So ist es.

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